Viktorias's Flasche
Wenn Viktoria in einer Schaufensterscheibe zufällig ihr Spiegelbild erkennt, dann schämt sie sich. Sie schämt sich, da sie das Geschäft nicht betreten wird. Sie schämt sich, da sie dazu verdammt ist, Kinderspielzeug zu betrachten, jedoch nicht kaufen zu können. Und auch: nicht kaufen zu müssen. Weil ihre drei „Kleinen“, wie sie sie nennt, bei Pflegefamilien untergebracht sind. Das sei besser so, sagt man ihr.
Viktoria vermisst ihre Kinder. Auch einen Partner vermisst sie, einen Menschen, mit dem sie alles teilen kann. Jemand, dem ihre Sucht nicht egal ist.
HINTERGRUND
Ihre Kinder sind inzwischen 14, 16 und 19 Jahre alt. Der Vater der Kinder ist vor zwei Jahren verstorben. Mit 15 besuchte sie die Handelsschule und arbeitete bis zur Geburt ihres ersten Kindes mit 21 in einer Rechtsanwaltskanzlei. Bald folgte das zweite Kind. Und bald folgte lange Arbeitslosigkeit. Und dann der Alkohol.
Inzwischen ist die Sucht massiv geworden. So pendelt Viktoria zwischen Einzimmerwohnungen und der Entzugsstation des Landeskrankenhauses. In diesem Jahr war sie das erste Mal obdachlos. Sie weiß, so kann es nicht weitergehen, sie muss auf Entzug gehen und sich dann Arbeit suchen.